Mythos Autobahn – Bringen immer perfektere Straßen noch einen Nutzen für regionales Wirtschaften?
Ergebnisse einer Tagung über den Zusammenhang zwischen Verkehrsinvestitionen und Wirtschaftswachstum am 24./25.9.04 in Dorfen, Obb. Veranstalter: Bildungswerk des Bund Naturschutz, Tagwerkgenossenschaft, Aktionsgemeinschaft gegen die A 94
Die Veranstaltung schloss mit folgendem Fazit:
Sowohl theoretisch als auch empirisch lässt sich im Regelfall ein positiver Zusammenhang zwischen Straßenbau und Beschäftigung nicht (mehr) erkennen. Dies gilt im besonderen für ein straßenmäßig so perfekt erschlossenes Land wie die Bundesrepublik Deutschland. Offensichtlich kommt hier das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen“ (d.h. jeder zusätzlich eingesetzte Euro bringt weniger zusätzlichen Nutzen als der vorherige) voll zum Tragen. Der Nutzen zusätzlicher Straßen geht gegen Null. Es mehren sich darüber hinaus die Anzeichen, dass der Grenznutzen ( = Nutzenzuwachs) negativ wird, daß also zusätzlicher Straßenbau sogar arbeitsplatzvernichtende Wirkung aufweisen kann.
Joachim Käppner am 6./7. 11. 04 in der Süddeutschen Zeitung:
Es ist ein weiter Weg nach Furtwangen. Bei Villingen-Schwenningen muß man die Autobahn verlassen und der Bundesstraße33 folgen, die sich verkehrsreich durch den Hochschwarzwald schleppt. In Sankt Georgen geht es scharf nach links, dann auf Nebenstraßen geradezu hinauf in die Wolken. Erst nach einer Dreiviertelstunde erreicht man Furtwangen. (…)
Furtwangen bietet nichts, womit andere Standorte prahlen, eines aber, was sonst in Deutschland so dringend gesucht wird: Arbeit. 10 000 Bewohner hat die Stadt und 4500 Arbeitsplätze. Es gibt hier gleich ein halbes Dutzend Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten. Und die Stadt wird immer wieder mal als diejenige mit der geringsten Arbeitslosigkeit in Deutschland geführt, zuletzt 2001 mit 2,0 Prozent.
Die wichtigen Solinger Industriegebiete sind über die geplanten Straßen nicht direkt zu erreichen.
Für die Industriegebiete Piepersberg, Dycker Feld, Fürkelrath I,II und Ittertal, Schmalzgrube und Mittelgönrath würde duch die geplanten Straßen kein Vorteil entstehen.
Die Industriegebiete im Norden an der A46 werden zu dem bislang von der Industrie trotz optimaler Verkehrsanbindung nicht richtig angenommen.
Die L405/B229 verbindet Solingen mit der A3 nicht auf die kürzeste, sondern auf die längste denkbare Weise.
Die Planung sieht eine A3-Anbindung vor, die noch südlicher liegt, als die bisherige Auffahrt an der Hardt. (D.h. Solingen entfernt sich von der A3.) Die Entwicklungspotentiale Solingens liegen aber im Westen (Raum Düsseldorf) und nicht im Süden.
Die Landeshauptstadt Düsseldorf gehört zu den Metropolen Deutschlands mit den höchsten Wachstumsraten, verfügt über eine steigenden Bevölkerungszahl und einen ausgeglichenen Haushalt. Die wirtschaftliche Attraktivität Düsseldorfs sorgt längst auch bei den Gemeinden im näheren Umfeld für Wohlstand. Düsseldorf ist eine der am stärksten wachsenden Dienstleistungsmetropolen Europas. Düsseldorf steht für Bevölkerungswachstum, sinkende Arbeitslosigkeit und einen bald ausgeglichen Haushalt.
Um Düsseldorf herum prosperieren die Städte im sogenannten Speckgürtel: Hilden, Haan, Ratingen usw. Auch Solingen tut gut daran, sich verkehrsökonomisch in Richtung Westen zu orientieren. Dazu gehört notwendiger Weise der Ausbau der Verkehrswege nach Düsseldorf.
Der geografische Vorteil Solingens im Hinblick auf die Nähe zu Düsseldorf wird verspielt,
wenn die Anbindung an die A3 nicht im Westen Solingens, sondern im Süden erfolgt.
Die L405/B229-Planung macht aus einem Standortvorteil ein Standortnachteil. (Die Stadtväter Langenfelds wird’s freuen.)
Die Alternative Haus-Gravener-Straße verbindet Solingen wesentlich weiter nördlich mit der A3. Solingen würde damit zweifach profitieren:
Es entstünde in nächster Nähe Düsseldorfs ein gut angebundener attraktiver Gewerbe- / Dienstleistungsstandort und ein ebenso attraktiver Wohnort für Pendler. Der bereits länger anhaltende Trend, dass Städte im Umfeld Düsseldorfs ökonomisch prosperieren, sorgt bereits heute in Ohligs/Aufderhöhe für den Zuzug von Pendlern und ihren Familien. Dieser Effekt ließe sich durch die Anbindung über die Haus-Gravener-Straße auf Gesamt-Solingen ausdehnen und wirkte der demografisch bedingten Schrumpfung der Solinger Bevölkerung entgegen.
Wie in unserer gesamten Volkswirtschaft verschieben sich auch in Solingen die Gewichte:
Der Anteil der industriellen Fertigung an der gesamten Wertschöpfung sinkt signifikant.
Diese These ist unter Ökonomen unstrittig. Der Prozess hat längst begonnen, wir beobachten ihn teilweise auch schmerzlich in Solingen. Beispiel Schneidwarenindustrie.
Die langfristige Folge: Weniger Güterverkehr, weniger LKW, weniger Straßentransporte.
Parallel zum Rückgang der industriellen Fertigung wächst die Bedeutung des Dienstleistungssektors.